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flucht


Der mit flucht übertitelte, auf der Plakatsäule spiralförmig sich abwärtswindende Text von Konrad Bayer besteht aus 1475 aneinandergereihten Kleinbuchstaben; ohne Leerzeichen Punkt und Komma  drängen sie voran,  erlauben dem lesenden Auge kein Verweilen zum Erfassen eines Begriffs, dem Vorlesenden keine Pause zum Atemholen. Nur scheinbar  unverständlich, ist die Buchstabenschlange als „zusammenhängende, in der abfolge geordnete wortkette“ zu lesen, der „ein geschehen zu grunde liegt“: die Flucht. Aus den Wortverschränkungen lassen sich über 300 Begriffe herausfiltern, die Aggression, Krieg, Verfolgung, Tod  assoziieren: beginnend mit gewehrlauf-laufschritt-schrittweise-eisendraht und endend mit wehrgraben-enge-gestein-eingrab-abtöten. 1963/64 übertrug Konrad Bayer den Text auf einen Zylinder, der als „Lesesäule“ auf einem elektrisch betriebenen Drehteller montiert, langsam rotiert; ein die klassischen Kunstsparten übergreifendes Mobile mit genialem literarischen Text.  Am Yppenplatz jedoch muß man die feststehende Säule mehrmals umwandeln, um den zeitlosen, wie hochaktuellen Inhalt „flucht“ zu erfassen.


konrad bayer

Lesesäule, Staatsgalerie Stuttgart  Inv. Nr. AS 2013/108;
Foto Katalog Biennale Venedig 1997, Die Wiener Gruppe, S 184/85




flucht








Konrad Bayer
(* 17. Dezember 1932 in Wien; † 10. Oktober 1964 in Wien) war ein österreichischer Schriftsteller

Konrad Bayer ist einer der wichtigsten Protagonisten der österreichischen literarischen Avantgarde nach 1945.
In der Tradition des Dadaismus war die Provokation programmatisch. Der avantgardistische und experimentelle Umgang mit Literatur und Sprache war der Versuch, Sprachroutinen aufzubrechen, sprachlich transportierte Ideologismen aufzudecken und das Bewusstsein von festgeformten Denkgewohnheiten zu befreien.
Bayer war befreundet mit Schriftstellern wie Oswald Wiener, Gerhard Rühm, H.C. Artmann und Friedrich Achleitner.
Von 1954 bis 1960 bildeten sie die Wiener Gruppe. Vor allem der Wiener Art Club war Podium für verschiedene Happenings, in denen es – meist ohne vorher abgesprochenes Programm – in dadaistischer Tradition in erster Linie um die Provokation des Publikums ging, was dazu führte, dass viele dieser Veranstaltungen zu Skandalen wurden.
In Gemeinschaftsarbeiten mit diesen Autoren schrieb Bayer Lyrik, literarische Montagen und dramatische Texte.
Im Jahr 1964 hielt sich Konrad Bayer bei Padhi Frieberger im Schloss Hagenberg im Weinviertel auf, um an seinem Roman "der sechste sinn" zu arbeiten.  "der sechste sinn" blieb unvollendet.
Konrad Bayer beging am 10. Oktober 1964 Selbstmord.

Texte
der stein der weisen, (Traktat)
der sechste sinn (Roman)
der kopf des vitus bering (Roman)
scheissen und brunzen (Lyrik
kasperl am elektrischen stuhl (Theaterstück)

Experimentalfilme von Peter Hubelka und Ferry Raddax
Mosaik im Vertrauen (1955)
Adebar (1957) ,
Sonne halt (1960)                                                   
Konrad Bayer, oder: die welt bin ich und das ist meine sache (1969).       
Der Kopf des Vitus Bering (1970),
 
Literatur
Konrad Bayer, Sämtliche Werke, herausgegeben von Gerhard Rühm, überarbeitete Neuausgabe 1966
Die Wiener Gruppe Achleitner Artmann Bayer Rühm Wiener, herausgegeben von Gerhard Rühm, 1967
Die Wiener Gruppe, Katalog Venedig Biennale 1997
Spiel auf Leben und Tod, Die Auferstehung des Konrad Bayer, Sonderdruck  aus Schreibheft, Zeitschrift für Literatur, 79. August 1912

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Säulen der Erinnerung | Pillars of Memory